T A D S C H I K I S T A N
Honigproduktion und regionaler Tourismus bei den Seven Lakes, zwei ganz unterschiedliche Chancen für das arme Land zwischen China und Afghanistan, das kaum jemand kennt
Von Roland Brockmann
Veshab, ein Bergdorf im Zerafshan Tal von Tadschikistan, Zentralasien. 2.000 Einwohner, magische Felsschluchten, wenig Fläche für Ackerbau, aber viele Baumblüten für unzählige Bienen.
Aus anfänglicher Angst entstand bei Boinazar echter Respekt: Bienen sind kluge Tiere, weiß der Imker inzwischen. Sie stechen nur aus Notwehr. Trotzdem bleibt er vorsichtig. Vom Rauch aus dem Smoker beruhigt, lässt sich auch die Königin nicht aus der Ruhe bringen. Bis Boinazar die Bienen zur Ernte von ihrer Wabe schüttelt. Für den Imker noch immer ein heikler Moment.
Quelle: Roland Brockmann / Welthungerhilfe
Es ist mein zweiter Besuch in Tadschikistan. In der Hauptstadt, so mein Eindruck, wird viel gebaut. Moderne Ampeln zählen den Countdown bis zur Grünphase, aber auf dem Land ist Strom noch immer knapp. Die Straßen dort werden auch nicht besser – und während in Duschanbe importierte PKWs das Bild bestimmen, trifft man in den Dörfern noch auf die letzten Fahrzeuge sowjetischer Abstammung: uralte Laster, Traktoren. Wer durch Tadschikistan reist, fühlt sich wie in Polen kurz nach der Wende, nur mit mehr Bergen – die Landschaft ist atemraubend. Ein letzter Geheimtipp für Urlauber.
Zum Beispiel bei den Seven Lakes: Etwas abseits der berühmten Seidenstraße gelegen, gar nicht weit entfernt von Samarkand. Ziel vor allem für Individualreisende wie Gerrit und Alisha aus Australien, seit 20 Monaten unterwegs – quer durch Asien.
Dass sie hier im Bergbauernort Nofin nach Stunden im Sammeltaxi durch entlegene Dörfer eine Übernachtungsmöglichkeit finden, damit haben die beiden Backpacker gar nicht gerechnet. So wie Gastgeber Jumaboy nicht mit den späten Gästen. Denn eigentlich ist die Saison in den Bergen schon vorbei.
Gerade in der Region um die Seven Lakes ist das Leben einfach. In Jumaboys Haus wird noch über Feuer gekocht. Es gibt Strom, aber nicht immer. Aber am Alltag der Einheimischen teilzuhaben, auch darum geht es bei der Idee vom Übernachten bei Gastfamilien im Homestay.
Quelle: Roland Brockmann / Welthungerhilfe
“Vor der Initiative der Welthungerhilfe gab es hier keine Übernachtungsplätze für Reisende”, so Juma Boy. “Und uns Bergbauern fehlte es an Einkommen. In Seminaren erfuhr ich mehr über die Bedürfnisse der Fremden – etwa bei den sanitären Anlagen. Das muss man beachten. Aber gleichzeitig wollen sie auch das traditionelle tadschikische Leben kennenlernen.”
Zurück in Veshab: Frühmorgens sattelt Boinazar den Esel. Mit seiner Frau und der sechsjährigen Tochter will er zu seinem schmalen Stück Land außerhalb vom Dorf, wo die Bienenstöcke stehen. Heute wird geerntet, der letzte Honig vorm kommenden Winter. Für die Familie ein wichtiges Zusatzeinkommen. Sieben Hundert Euro hat Boinazar letztes Jahr mit dem Honig verdient, im armen Tadschikistan viel Geld. Von rund acht Millionen Tadschiken verdingen sich fast eine Million als Gastarbeiter in Russland. Aber seit der russischen Wirtschaftskrise sanken deren Überweisungen in die Heimat um fast die Hälfte. Für Boinazar zählt der Honigpreis, und der ist gut.
“Ich hatte ja keine Ahnung von Bienen”, so Boinazar, “die Welthungerhilfe brachte die Idee in unser Dorf. So lernte ich dann alles. Im Grunde tricksen wir Menschen die Bienen ja aus: sie produzieren Nahrung für sich und wir tauschen die dann heimlich gegen Sirup aus. Bienen sind schlau, können kilometerweit fliegen und finden trotzdem zurück zu ihrem Volk. Aber den Unterschied zwischen Honig und Sirup merken sie dann doch nicht.”
Honigproduktion bedeutet emsige Fleißarbeit – für die Bienen. Tausende leben und arbeiten in einem Bienenstock. Dass Boinazar sie jetzt vertreibt, gefällt ihnen natürlich nicht.
Die Gewinnung des Honigs findet besser etwas abseits statt. Es muss zügig gehen, schon weil die Bienen vom eigenen Honig angelockt werden. Was Boinazar nicht für den eigenen Bedarf braucht, verkauft der Imker über die lokale Kooperative. Für ein Kilo Honig erhält er umgerechnet sieben Euro.
Und die Qualität aus dem Zerafshan Tal hat sich längst herumgesprochen, selbst in Tadschikistans Hauptstadt Duschanbe bieten renommierte Hotels wie das Serena inzwischen Honig aus Veshab an. Ein lokales Produkt für internationale Gäste.
So wie sich auch die Homestays vor allem an Besucher aus dem Ausland wenden:
“Vor der Initiative der Welthungerhilfe gab es hier keine Übernachtungsplätze für Reisende “, so Juma Boy. “Und uns Bergbauern fehlte es an Einkommen. In Trainings erfuhr ich mehr über die Bedürfnisse der Fremden – etwa bei den sanitären Anlagen. Das muss man beachten. Aber gleichzeitig wollen sie auch das traditionelle tadschikische Leben kennenlernen.”
Heute hat Jumaboys Frau Zinnat hat Brot gebacken. Typisch für die Bergbauern, die sich weitgehend selbst versorgen. Die beiden bauen Kartoffeln an, halten Schafe und eine Kuh. Für Gäste eine Chance den Alltag eines echten Bergbauern mitzuerleben.
Zwölf Dollar berechnet Jumaboy pro Nacht und Person. Ohne das Zusatzeinkommen könnten er und seine Familie kaum überleben. Alisha und Gerrit freuen sich über den Komfort – ein richtiges Bett und eine heiße Dusche hatten die beiden schon lange nicht mehr, und für morgen früh lockt das Farbspiel der Seven Lakes.