Dieser Beitrag erschien im Juli 2011 auf der Onlineseite des kenianischen Nachrichtensenders Capital FM. Der Beitrag enstand im Zeichen der damals aktuellen Nahrungsmittelkrise und der Regierungsabsicht, gentechnisch veränderten Mais in großer Menge in das ostafrikanische Land zu importieren.
Mehr als eine Milliarde Menschen hungern oder leiden unter Ernährungsmangel. Afrika ist davon besonders betroffen. Die Lösung klingt einfach: Es müssen mehr Lebensmittel vor Ort hergestellt werden. Gentechnik ist dabei das Zauberwort, das häufig propagiert und oftmals als Allheilmittel beschrieben wird: Getreide, das tolerant gegenüber Dürre und Übersalzung der Böden ist, virusresistenter Mais, Nährstoff angereicherte oder allgemein ertragreichere Sorten. Zu schön, um wahr zu sein?
Obwohl der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) vor allem auf die USA, Argentinien, Kanada und China beschränkt ist, argumentieren die Befürworter der Biotechnologie, dass die Ausbreitung solcher GVO Pflanzen in den Ländern der Dritten Welt unerlässlich für die Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung der armen Bevölkerungsschichten sei und wesentlich zur Reduzierung von Umweltzerstörung und einer Erhöhung der nachhaltigen Landwirtschaft beitragen würde. Solche Versprechungen ensprechen nicht der Realität.
Die Biotechnologie steht unter Kontrolle von Konzernen, geschützt durch Patente und Lizenzrechte. Sie steht damit im krassen Gegensatz zur jahrtausende alten Tradition aus Aufbewahrung und Züchtung von Saatgut. Mit den heutigen gentechnisch veränderten Pflanzen und dem damit einhergehenden sehr strengen Lizenzsystem werden die Bauern nicht mehr in der Lage sein, ihrer uralten landwirtschaftlichen Praxis zu folgen. Die Bauern müssen von Jahr zu Jahr Lizenzgebühren bezahlen und können ihr Saatgut nicht mehr selbst züchten.
Wenn nun gentechnisch veränderte Pflanzen zur Linderung der Nahrungsmittelkrise kurzfristig nach Kenia eingeführt werden, wird das möglicherweise die angespannte Nahrungsmittelsituation bis zu einem gewissen Grad entschärfen. Aber wenn die grüne Gentechnik einmal etabliert ist, können die Unternehmen die Daumenschrauben anziehen .
Denn die Unternehmen profitieren von einem wirtschaftlichen System, das in erster Linie nicht daran ausgerichtet ist Mangel zu beheben, im Gegenteil – das System basiert auf der Erzeugung von Mangel. Das klingt erst einmal paradox, weil die Saatgut-Unternehmen ja ihre Samen verkaufen, damit ausreichend Lebens- oder Futtermittel produziert werden.
Also wird mit dem gentechnischen Saatgut etwas vermeintlich positives erschaffen, was es vorher so nicht gab.
Bei dieser Betrachtungsweise wird aber vergessen, dass die Unternehmen gewinnorientiert sind. Ihre Waren sind nur dann etwas wert, wenn das Angebot die Nachfrage nicht übersteigt. Andernfalls würde der Preis in den Keller gehen. Daher müssen die Agro-Unternehmen gewährleisten, dass die Nachfrage nach ihren Produkten nicht nachlässt – schon allein aus Gründen der wirtschaftlichen Selbsterhaltung.
Die Regierung von Kenia reagiert mit ihrer Importentscheidung auf einen Notfall, der sich nicht nur auf natürliche Ursachen gründet, sondern vor allem mit der Frage der Produktionsbedingungen und Verteilung zusammen hängt. Man könnte es einen Teufelskreis der Verarmung nennen: In Kenia herrscht Nahrungsmittelknappheit. Deshalb stützt sich die Regierung auf Nahrungsmittel von Produzenten, die gleichzeitig diejenigen sind, die besonders stark von einem globalen Handels- und Wirtschaftssystem profitieren, das solche Mangelerscheinungen entstehen und bestehen lässt.
Miguel Altieri, Professor an der University of California-Berkeley hat bereits im Jahr 2002 eine Studie mit einer ähnlichen Argumentation gegen den Anbau von GVO in Ländern der Dritten Welt veröffentlicht. Der Agrarökologe ist ein Verfechter nachhaltiger Landwirtschaft und steht den großen Agrao-Konzernen sehr kritisch gegenüber. Neben Altieri gibt es noch andere Wissenschaftler, die sich gegen den propagierten Segen von genetisch veränderten Pflanzen als Lösung der Ernährungsprobleme der Dritten Welt aussprechen.
Neben den möglichen negativen sozio-ökonomischen Auswirkungen für die Bauern, stellen gentechnisch veränderte Pflanzen eine Reihe von möglichen und nicht abschätzbaren Umweltrisiken dar, die die Nachhaltigkeit von kleinbäuerlichen Systemen bedrohen. Die ökologischen Auswirkungen von gentechnischen Pflanzenkulturen sind nicht nur auf Schädlings- und Klimawiderstandsfähigkeit begrenzt. Gentechnisch veränderte Pflanzen können Umweltgifte produzieren, die dann in die Nahrungskette und womöglich auch in den Boden und das Wasser gelangen, mit Auswirkungen auf wirbellose Tiere, Mikroorganismen und ökologische Prozesse wie dem Nährstoffkreislauf.
Unter diesem Eindruck hat auch die deutsche Ministerin für Landwirtschaft, Ilse Aigner, Monsantos gentechnisch veränderten Mais (MON 810) im Jahr 2009 verboten. MON 810 ist für den Verkauf und den Anbau in den 27 EU-Mitgliedstaaten seit 1998 zugelassen. Aber nach einer eingehenderen Analyse von Monsantos MON 810 Studie und nach Beratung durch unabhängige Wissenschaftler und Experten, sah das deutsche Landwirtschaftsministerium in MON 810 und den möglichen ökologischen Auswirkungen eine Gefahr.
Unnötig zu sagen, dass Monsanto, das weltweit größte Agrar- und Biotech-Unternehmen, das Verbot nicht akzeptierte und Deutschland kurzerhand verklagte. Ein deutsches Gericht bestätigte jedoch die Entscheidung und Monsanto scheiterte mit seiner Klage gegen die deutsche Bundesregierung.
Wie bereits erwähnt bedrohen besonders die Lizenzierungen und Saatgutpatente eine nachhaltige Landwirtschaft. Landwirtschaft mit gentechnisch veränderten Pflanzen ist zudem eng mit der Idee von großflächigem Monokulturanbau verbunden. Wer wird von dem GVO-System profitieren und wer wird Gefangener des Systems sein? Wenn die großen Agro-Unternehmen deutlich höhere Gewinne durch den Verkauf von Mais für die Bioethanol-Produktion erwirtschaften, anstatt ihn als Nahrungsmittel zu verkaufen, dann ist nicht zu erwarten, dass die Konzerne ihre philantrophe Seite entwickeln und den Nahungsmittelsektor entwickeln. Die Konzerne sind mit Sicherheit an einer nachhaltigen Saatgutproduktion interessiert. Die Frage ist jedoch: Wie definieren diese Unternehmen Nachhaltigkeit?
Es ist dringend notwendig, dass internationale Geldgeber die Relevanz dieses Problems erkennen. Es gibt agrar-ökologische Alternativen zur Biotechnologie, die günstig, leicht verfügbar, Risiko minimierend, ertragsreich, zur Verbesserung der Umwelt- und Gesundheitsbedingungen beitragend sowie kulturell und sozial akzeptabel sind.
Innovativen institutionellen Maßnahmen sollte eine Chance geben werden, um mit der entsprechenden finanziellen Unterstützung einen Graswurzel-basierten, alternativen und nachhaltigen Entwicklungsansatz der Landwirtschaft in der Dritten Welt zu ermöglichen.
Wie zum Beispiel unser Ansatz einer autark operierenden Mühle mit integrierter Farmentwicklung.
Mit dem integrierten ‚Mill and Farm Development’ Gesamtkonzept soll zum einen eine krisenresistente Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln (Maismehl, Kasavamehl) zu fairen Preisen ermöglicht werden. Zum anderen bietet das Konzept den Bauern eine nachhaltige Entwicklungsmöglichkeit für ihren Betrieb. Das Konzept ist modular aufgebaut. Verschiedene Bausteine können – je nach lokaler Gegebenheit – kombiniert und an die Situation angepasst werden.
Matthias Duchscherer ist ehemaliger Hochschullehrer und Präsident von Project Lighthouse Africa e.V. sowie Vorsitzender von Project Lighthouse Kenia. Die Organisation setzt sich für die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Infrastrukturprojekte in Afrika ein (www.prolightafrica.org).
Meines Erachtens gibt es eine einfache und im Grunde bereits heute gültige Regel, diese Probleme zu vermeiden: Wettbewerb!
Leider verfolgen die Staaten dieses Grundprinzip schon lange nicht mehr durchgängig – ansonsten dürfte es gar keine Patente auf Saatgut geben. Denn genmanipuliertes Saatgut ist keine Erfindung, es ist eine Entdeckung. Sollte man eine Entdeckung patentieren dürfen? Gäbe es den Monopolschutz von Patenten nicht, setzten sich am Markt ganz natürlich günstigere konventionell gezüchtete Sorten durch. Auch der Preis kann sich dann frei am Markt bilden und wird nicht von einem Monopolist bestimmt.
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